Zu einem meiner letzten Artikel „Schneiden Sie schon oder zeichnen Sie noch?“ bekam ich mehrfach die Rückfrage, wie das denn konkret in der Praxis aussieht:
„Sobald das Blech an der Maschine ist, wird das Blech geschnitten. Ohne Schneidplan.“
Ohne Schneidplan und ohne Fertigungspapiere?
Ganz einfach, das Blech bringt alle Informationen mit an die Schneidmaschine, um das richtige Schneidprogramm aufrufen zu können und zu schneiden!
Das Blech oder die Bleche bekommen im Wareneingang eine Kennzeichnung, so wie es in den meisten Zuschnittbetrieben üblich ist. Es kann eine Nummer sein, ein Barcode, ein QR-Code, eine Lasermarkierung oder was auch immer. Einzeln, paketweise – egal. Dadurch sind die Bleche eindeutig, nicht verwechselbar und nach- bzw. rückverfolgbar.
Diese Kennzeichnung reizt dann an den entsprechenden Stellen die Organisation zu einer Handlung. So liest z.B. der Bediener der Schneidmaschine die Kennzeichnung des Bleches per Lesegerät ein und das für dieses Blech vorgesehene Schneidprogramm wird automatisch in die Steuerung geladen.
Sollte das Laden des Programmes nicht automatisierbar sein, was sich mit dem Maschinen- bzw. Steuerungshersteller klären lässt, ist lediglich der Zwischenschritt des manuellen Programmaufrufs erforderlich.
Das Schneidprogramm wird vorher in der Arbeitsvorbereitung erstellt, d.h. es werden Produkte und Blech passend hinsichtlich Material, Dicke, Oberfläche und anderen Spezifikationen miteinander verschachtelt. Anschließend werden die Schneidbahnen des verschachtelten Bleches zu einem Schneidprogramm generiert und im Netz gespeichert.
Aus der Kombination Blechspezifikationen, Schneidprogramm und Maschinenverplanung ist die Schneidmaschine, auf der das Blech geschnitten wird, eindeutig und wird entsprechend im Blechlager bzw. für den innerbetrieblichen Transport per PC, Tablet, Smartphone o.ä. angezeigt.
Was auf der Maschine geschnitten wird, welcher Auftrag und wieviel Teile, ist zu diesem Zeitpunkt für den Maschinenbediener der zugeordneten Schneidmaschine noch nicht relevant, da dies im Schneidprogramm enthalten ist und erst nach dem Schneiden wichtig wird. An dieser Stelle ist nur wichtig, dass das Blech auf dem Schneidtisch präzise eingemessen wird und der Ort des Nullpunktes dem im Schneidprogramm hinterlegten Nullpunkt entspricht*. Diese Informationen liefert die Anzeige der Maschinen-Steuerung, dafür braucht der Bediener kein Papier.
Und dann wird geschnitten.
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Und wozu dieses papierlose Prozedere?
Bis das Schneidprogramm an der Schneidmaschine angemeldet wird
• kann jedes Teil auf dem Blech in der Arbeitsvorbereitung geändert werden, ohne Papiere einzusammeln, anschließend zu ändern und wieder in die Fertigung zu geben,
• kann die Arbeitsvorbereitung die Anzahl der Teile auf dem Blech verändern und bei Bedarf Teile ergänzen oder weglassen,
• ist die Optimierung der Materialausnutzung möglich,
• kann der Verkauf, je nach Echtzeitinformation im Verkauf (MES!), Produkte auf dieses spezielle Blech verkaufen.
Mit anderen Worten, viele nicht wertschöpfende Tätigkeiten fallen ersatzlos weg. Die Papierlogistik wird nicht zum Dynamikengpass. Die oft beworbene Flexibilität und Schnelligkeit wird voll ausgereizt.
Dass bei Änderungen oder Ergänzungen das Blech neu verschachtelt und das Schneidprogramm neu erstellt werden muss, versteht sich von selbst. Aber dieser Teil der Prozesskette ist bei der heute unglaublich leistungsfähigen Schachtel-Software kein Engpass mehr. Vor allem, da viele zu verschachtelnde Teile bereits automatisch ihre Schneidbahnen erhalten können, ohne den Umweg über das CAD zu nehmen.
Und wie geht es dann weiter? Wie halte ich die geschnittenen Teile auseinander und woher weiß ich, welches Produkt in den Versand, zur Anarbeitung oder zum Zusammenbau befördert werden muss?
Dazu dann beim nächsten Mal mehr.
*Es gibt smarte Tools für eine Restblechverwaltung, die das Risiko des „falschen Nullpunktes“ vermeiden.
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